Ein Livestream, also die Übertragung von Audio und Video von Veranstaltungen, ist momentan sehr gefragt. Doch was macht überhaupt einen guten Livestream aus? Wie sinnvoll ist ein Livestream in „normalen“ Event-Zeiten? Kannibalisiert die Übertragung des Events ins Internet wirklich die Anmeldezahlen des realen Events? Ich habe einmal nachgehakt. Bei einem, der sich auskennt: Sebastian Greiner, Geschäftsführer von Livestream.watch, der z. B. auch die TechXperience 2019 gestreamt hat.
Kannibalisiert ein Livestream wirklich die Anmeldezahlen der realen Besucher?
Bis vor kurzem hatten viele Eventplaner und Veranstalter noch ziemlich große Bedenken, was ein Livestreaming ihrer Events angeht. Groß war die Angst, Zuschauer zu verlieren. Doch das habe ich ehrlich gesagt noch nie erlebt. Ganz im Gegenteil: Der Veranstalter gewinnt neue, zusätzliche Teilnehmer.
Menschen, die eine Konferenz besuchen wollen, wollen diese auch wirklich live besuchen. Wer Barack Obama auf der Bits & Pretzels erleben will, geht dorthin und spart sich eben nicht das Vor-Ort-Ticket.
Wie erweitert ein Stream meine bisherige Event-Reichweite?
Beispielsweise haben wir bisher immer ein Event in Frankfurt gestreamt, welches in einem nicht-barrierefreien Gebäude stattfand. Dort gab es schlichtweg keine Chance, Rollstuhlfahrer u.ä. die Treppe hochzutragen. Und genau diese Menschen waren sehr dankbar für einen Livestream. Solche Besuchergruppen möchten auch an Events teilhaben.
Oder denke einfach an alle, die aus verschiedensten Gründen zu Hause bleiben müssen, aber gern inhaltlich etwas mitnehmen würden. Für die ist ein Livestream ein Segen. Und für dich eine zusätzliche Reichweite und vielleicht auch Einnahme. Je nachdem, wie du es gestaltest.
Machst du den Livestream in diesem Jahr gut, ist er die beste Werbung für deine Veranstaltung im nächsten Jahr.
Soll ich mein komplettes Event livestreamen?
Im Normalfall: Nein. Das würde die Leute schlichtweg überfordern.
In Corona-Zeiten ist das allerdings natürlich sinnvoll.
Normalerweise gilt:
Streame besser nur die Hauptbühne und mache deinen virtuellen Zuschauern schmackhaft, dass es vor Ort noch viel mehr gibt. Frei nach dem Motto: „Das ist unser Maintrack und wir haben viele weitere Tracks für dich.“
Und in Zeiten von Corona gilt:
Wenn dein Publikum nicht teilnehmen kann, streamen wir auch eine leere Bühne. Dann schalten wir die Redner zu uns ins Studio oder schicken eine Kamera per Express raus. Du als Eventveranstalter kannst dann unter unserer Anleitung das Equipment aufbauen. Ist einfacher als du denkst, haben wir jetzt schon mehrfach umgesetzt.
Was brauche ich, wenn ich einen Livestream anbieten will?
Vor allem ein Ziel, also ein Konzept. Mach dir darüber Gedanken, was du mit dem Livestream erreichen willst.
Gut, momentan ist das klar definiert: Du willst überhaupt Leute erreichen können. Aber auch in normalen Zeiten solltest du klar wissen, was du mit dem Stream erreichen möchtest. Je klarer dein Ziel, desto eher erreichst du das.
Aus meiner Sicht geht es beim Livestreaming hauptsächlich um Teilhabe und Nachhaltigkeit. D.h. zum Einen wollen Veranstalter weitere Personen an dem Event teilnehmen lassen und zum Anderen sollen die Inhalte mehr als nur an den Event-Tagen zur Verfügung stehen.
Welche Technik benötige ich?
Ein Standard-Setup sollte mindestens aus zwei Kameras, besser drei Kameras, einer gut ausgeleuchteten Bühne und guter Tontechnik bestehen. Außerdem brauchst du Techniker.
Idealerweise bekommst du als Kunde ein Setup mit drei Kameras und dafür sind dann vier Techniker im Einsatz. Diese verteilen sich dann wie folgt:
- Einer am Stativ für die Nahaufnahme des Vortragenden.
- Außerdem einer am Joystick für remote ansteuerbare Kameras. Dieser verfolgt von weiter weg einen sinnvollen Bühnen-/ Bildausschnitt.
- Dazu jemanden an der Bildmischung und
- eine Person für die Projektleitung. Dieser Techniker hat die Gesamtsituation im Blick und sorgt für die Koordination und behebt mögliche Technikprobleme.
Du könntest das Ganze auch mit weniger Personal umsetzen, doch du kennst das bestimmt auch vom eigenen Check-In bei Events. Den Counter würdest du im Normalfall auch mit mehr als einer Person besetzen, oder? Es läuft einfach niemals glatt. Nachgedruckte Namensschilder, Fragen der Kollegen übers Telefon und die vielen anderen Gewerke, die jetzt auch noch etwas abstimmen wollen. Allein ist das kaum leistbar. So ist das auch mit der Technik – egal wie gut sie vorab geplant und eingestellt wurde.
Warum brauche ich zwei bis drei Kameras?
Wie eben schon angedeutet, brauchst du:
- eine Nahaufnahme vom Speaker,
- die Sicht auf die ganze Bühne,
- sowie einen Ausschnitt vom Publikum.
Das ist so wichtig, weil du damit einen räumlichen Eindruck von deinem Eventgeschehen schaffst. Es gibt nichts Schlimmeres als ein ausschließlich frontaler Livestream. Einfach nur ein Camcorder, der deine Bühne frontal abfilmt. Das schauen sich deine Gäste fünf Minuten lang an und dann schlafen sie ein.
Wie bette ich meine Slides am besten in den Livestream ein?
Am besten überträgst du die integriert in den Livestream. Also nicht abfilmen sondern einbetten in das Bild, das der Online-Zuschauer am Bildschirm sieht. Würdest du es abfilmen, könnte man z.B. die Schriften sehr schlecht lesen.
Schau dir einfach einmal die eingebundenen Slides bei der TechXperience an.
Wie lange dauert es, bis mein Livestream für den Nachbericht fertig ist?
Erst einmal: Ein guter Livestream ist schon währenddessen so gut, dass du ihn sofort auf Twitter oder Facebook übertragen kannst. So können deine virtuellen Teilnehmer diesen wirklich in Echtzeit konsumieren. Möchtest du die Aufnahmen auch hinterher noch zeigen können, empfehle ich dir, den Stream noch etwas aufzuarbeiten. Der Aufwand dafür ist allerdings gering. Es kann sich jedoch enorm lohnen, z. B. wenn du es auf YouTube einstellst und für die Vermarktung deiner Folgeveranstaltung nutzt.
Schon allein wegen der vielen wertvollen Inhalte über die Konferenz- oder Messetage hinweg ist das eine gute, nachhaltige Sache.
Was sind die häufigsten Fehler beim Livestreaming und wie vermeide ich sie?
Der Ton wird (fast) immer unterschätzt.
Du brauchst einfach eine gute Tontechnik inklusive einer ordentlichen Verkabelung für den Ton. Ein normales Raummikrofon reicht da bei Weitem nicht. Außerdem brauchst du einen Tontechniker vor Ort, der den Ton dauerhaft abgleicht. Menschen reden einfach unterschiedlich laut und halten das Mikro unterschiedlich weit weg.
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Der Ton ist enorm wichtig, wichtiger als das Bild. Denn einem Stummfilm würden wir einfach nicht (mehr) zuschauen. Bei schlechter Bildqualität drücken wir eher schon einmal ein Auge zu.
Das Licht auf der Bühne reicht oft nicht aus.
Viele Menschen unterschätzen, wie viel Licht man für so eine Aufnahme wirklich benötigt. Es muss einfach alles ausgeleuchtet sein. Ganz wichtig dabei ist, dass es auch Licht von vorn und nicht nur von oben gibt. So vermeidest du die unschönen Schatten in den Gesichtern der Redner.
Die DSGVO wird umgangen.
Eine Herausforderung ist manchmal noch die DSGVO. Wir als professioneller Anbieter arbeiten stets DSGVO-konform. Unsere Server stehen in Europa und wir haben Auftragsverarbeitungsverträge mit unseren Dienstleistern abgeschlossen. Das ist nicht bei allen Anbietern der Fall. Schau da vorher genau hin.
Überlege dir auch genau, wohin du deine Livestreams übertragen möchtest und wo die Primärquelle des Streams liegen soll. Ist es eine Social-Media-Plattform außerhalb von Europa, solltest du da umsichtiger sein. Du könntest deinen Livestream primär auf einer Plattform wie der unseren durchführen. Von dort aus kannst du den Stream auf deiner eigenen Webseite einbetten. Zusätzlich kannst du den Stream auch zu Facebook live oder Periscope weiterreichen lassen. Die geschnittene Variante kannst du dann später z.B. auf YouTube hochladen.
Der Livestream wird nicht beworben.
Es ist wirklich schade und ich habe es schon öfter erlebt. Ganz oft wird der Livestream nicht ausreichend beworben. Dabei ist das so essenziell. Bewirb das auf der Startseite deiner Website, ganz auffällig und nicht irgendwo in der Unternavigation versteckt. Bette auch den Player von Livestream.watch überall ein, wo es sinnvoll ist.
Kündige den Livestream am besten 2 bis 3 Monate vor deinem Event an. Kreiere eine eigene Landingpage auf deiner Event-Website. So gibst du auch Google Zeit, das zu indizieren. Tippen deine virtuellen Teilnehmer bei Google dann „Event ABC Livestream“ ein, werden sie nur dann fündig werden.
Hast du darüber hinaus in irgendeiner Form Printwerbung für dein Event produziert, bewirb den Livestream auch dort.
Eine kurzfristige Anfrage für ein Livestream kann dann sinnvoll sein, wenn du plötzlich einen deutlich höheren Besucherandrang erwartest oder eben ein Event-Verbot gilt. Ansonsten kannst du mit der Bewerbung des Livestreams fast gar nicht zu früh anfangen.
Über den Interviewpartner
Sebastian Greiner
Geschäftsführer Livestream.watch Film & Broadcast GmbH
T: 0179/7855666
Website
Livestreaming in der Krise