Hast du schon einmal von Fuckup-Nights gehört? Was genau verbirgt sich dahinter? Und könntest du dieses Konzept auf dein Eventmanagement übertragen? Oder wenigstens im Rahmen deiner nächsten Veranstaltung ein paar ‚worst-case‘ Vorträge einbauen? Statt immer dieser Best Practices und Hochglanzvorträge. Trau dich mal. Deine Besucher sind bestimmt hinterher sehr bewegt. Wie Fuckup-Nights genau aussehen, das hat mir einmal Christoph Bredemeyer beantwortet.
Was sind überhaupt Fuckup-Nights?
Fuckup-Nights sind eine globale Bewegung. Auf diesen Abendveranstaltungen berichten 3 oder 4 Redner von ihrem beruflichen Scheitern. Dafür hat jede*r genau 6 Minuten und 40 Sekunden Zeit. Das ist inspiriert von der Pecha Kucha Methode. Das bedeutet bei uns, dass du genau 10 Folien zeigen darfst und für jede 40 Sekunden Zeit hast.
Die Vorträge beinhalten:
- 10 Folien
- Pro Folie ein Bild
- Je Folie 40 Sekunden Redezeit
- Vortragszeit: 6 Minuten und 40 Sekunden
- Keine Graphen
- und kein Text
Im Anschluss an jeden Vortrag können die Teilnehmer die Referenten weitere 10 Minuten lang befragen.
Und so sollte die Scheiter-Story aufgebaut sein:
- Schildere die Ausgangssituation.
- Was war der Tiefpunkt des Erlebten?
- Was ist die Lehre daraus?
Geht es nur um gescheiterte Gründer-Stories?
Nein, natürlich nicht. Allerdings ist es in der Praxis so, dass Gründer schon eher über gescheiterte Businesses sprechen. Es gibt also einfach mehr Berichte aus der Gründerszene. Dabei können Projekte oder Kooperationen im normalen Arbeitsalltag genauso scheitern. Einige der Redner berichten auch darüber. Daraus lernen übrigens unsere Teilnehmer am meisten. Denn die wenigsten gründen ja gleich ein Unternehmen. Projekte oder Kooperationen jedoch hat fast jede*r auf dem Tisch. Und auch da kann so richtig viel schief gehen.
Warum brauchen wir Fuckup-Nights?
Vor allem in Deutschland sprechen wir nur ungern übers Scheitern. Das ist einfach ein Tabu-Thema. Dabei bedeutet Scheitern, dass wir aus Erfahrungen lernen können. Wir erhalten wertvolles Wissen.
Scheitern an sich ist schon sehr unangenehm. Allerdings bringt es uns immer weiter. Es ist ein wichtiger Teil unserer Entwicklung. Doch gerade in Deutschland erkennen wir es häufig noch nicht als Berufserfahrung an. Zertifikate oder lange Vitae zählen bei Personalern und Chefs oft noch mehr als Erfahrungen aus dem Scheitern.
Habe ich mal ein Projekt oder ein Unternehmen so richtig gegen die Wand gefahren, dann bin ich hinterher – hoffentlich – schlauer. Ich weiß ganz genau, was ich kein zweites Mal tun würde. So ticken die meisten von uns. Genau das müssten wir viel mehr Wert schätzen. Und genau deshalb brauchen wir Fuckup-Nights – vor allem in Deutschland.
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Wie leicht findest du Speaker für die Fuckup-Night?
Ich dachte anfangs, das wäre schwer. Doch die Realität zeigt: Es ist viel einfacher als gedacht. Es gibt wirklich eine Reihe von Menschen, die andere vor ähnlichen Fehlern bewahren wollen. Eine Art intrinsische Motivation: Das geb ich weiter. Daraus können andere lernen.
Übrigens: Niemand will sich mit seinen Scheiter-Stories profilieren. In solchen Momenten steht einfach keiner gut da.
Wie ehrlich sind die Speaker auf der Bühne? Wird hier doch viel schöngeredet?
Ob alles wahr ist, weiß ich natürlich nicht. Die Stories sind sehr subjektiv.
Allerdings geht es auf der Bühne immer äußerst emotional zu. Sehr authentisch. Niemand redet hier etwas schön. Einer der Redner sagte neulich auch, dass er in Bewerbungsgesprächen niemals so ehrlich von seinem Scheitern erzählt habe. Er packe nur hier so richtig aus.
Die bisherigen Speaker haben über die komplette Bandbreite des Scheiterns berichtet. Vom kleineren Scheitern bis hin zu jemanden, der privat auf einem Berg von 1 Mio. Euro Schulden saß. Berichte über anschließende Depressionen und ähnliche Erlebnisse sind auch dabei. Banalitäten sind es nie, die hier ausgepackt werden.
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Wie ist die Teilnehmerresonanz vor und nach dem Event?
Da gibt es wirklich einen Unterschied.
Vorher sind die Leute oft skeptisch. Gibt es wirklich jemanden, der offen über seine Fehler und sein Scheitern berichten wird? Was sie dorthin treibt, ist auch ein gewisses Maß an Voyeurismus.
Hinterher sind die meisten Teilnehmer tief bewegt. Fast alle haben anschließend eine veränderte Einstellung zum Scheitern. Ein echter Aha-Effekt.
Es gibt kaum ein Format, welches so tiefgreifend die Einstellungen und Sichtweisen von Menschen ändert. Stell dir das einfach einmal live vor: Da stehen Männer auf der Bühne und sprechen offen darüber gescheitert zu sein oder das sie dadurch in eine Depression gestürzt sind. Das ist selbst heute noch keine Selbstverständlichkeit.
Ich erfahre von diesem Umdenken übrigens, weil ich oft mit den Teilnehmern sprechen kann. Unsere Fuckup-Nights sind relativ klein. So circa 60 bis 80 Teilnehmer kommen da so im Schnitt.
[bctt tweet=“#eventprofs Es gibt kaum ein Format, welches so tiefgreifend die Einstellungen und Sichtweisen von Menschen ändert. #scheitern #fuckup“ username=“KatrinTae“]
Wie fühlt es sich als Eventmanager an, eine Fuckup-Night zu organisieren?
Da ich der Timekeeper für die genau getakteten Vorträge bin, kann ich allen Rednern zuhören. Diese Stories sind schon wirklich sehr emotional. Und ich bin froh, dass ich sie miterleben kann. Bei manchen Events ist man als Eventmanager ja so mit der Organisation und Koordination beschäftigt, dass man nichts vom Inhalt mitbekommt.
Mein Eindruck ist allerdings auch: Am aufregendsten ist die Veranstaltung für die Speaker. Weil sie so ehrlich vor vollkommen fremden Menschen auspacken.
Ansonsten sind Fuckup-Nights natürlich sehr ähnlich zu anderen Veranstaltungen. Zumindest, was die Organisation betrifft. Von daher fühlt es sich meist gar nicht so sehr anders an.
Und wie schon zuvor erwähnt, genieße ich es, dass ich mit den Teilnehmern so direkt sprechen kann.
Was kann ich als Eventmanager für meine anderen Veranstaltungen als Learning daraus mitnehmen?
Das wichtigste Learning aus meiner Sicht: Scheitern ist ein großes Thema. Auch in der Eventbranche. Bei Veranstaltungen sind schließlich immer Menschen involviert. Und die verhalten sich nicht vorhersehbar. Gerade bei Events gibt es immer Dinge, die nicht funktionieren. Die perfekte Veranstaltung gibt es einfach nicht. Vielleicht vor der Kulisse. Aber hinter dieser oder auch im Vorfeld sieht es oft anders aus.
Wir können aus den Fuckup-Nights und den Stories der gescheiterten Redner lernen, dass auch wir unsere Fehler nicht unter den Teppich kehren sollten. Lasst uns offener über Fehler sprechen. Auch über die kleinen. Veranstaltungen leben nun einmal viel von Details.
Scheitern oder Fehler sind immer die Chance, etwas besser zu machen. Es gehört einfach dazu. Wir müssen uns dafür nicht schämen oder grämen. Wir können die Fehler abfangen und es beim nächsten Mal einfach besser bzw. anders machen.
Ich selbst habe ein ein besonderen Lernmoment auf einer Fuckup-Night erlebt. Es war sogar auf meiner ersten. Da stand ein Redner, der darüber berichtete, wie er mit seiner Eventagentur gescheitert ist. Und ich saß da in der ersten Reihe und habe ganz Ähnliches vor. Ein komisches Gefühl. Letztendlich ist mein Konzept dann aber doch anders. Ich bin sehr dankbar für diese Story.
Möchtest du je wieder klassische Veranstaltungen organisieren?
Da jede Veranstaltung anders ist, ja na klar. Sogar innerhalb einer Eventreihe gibt es immer wieder neue Herausforderungen. Daher werden Veranstaltungen zumindest aus meiner Sicht nie langweilig werden.
Ich glaube übrigens auch, ein Grund, warum manche Eventkonzepte scheitern ist deren fehlende Weiterentwicklung. Manche plätschern einfach so vor sich hin. Dabei könnte Scheitern helfen. Nur wer scheitert oder Fehler macht, kann sich beim nächsten Mal verbessern. So wird auch die Qualität des Event-Marktes besser. Denn schlechte Veranstaltungen fallen einfach durchs Raster oder ich verbessere sie. Also ich lerne aus den Fehlern und den gescheiterten Konzepten.
Über den Interviewpartner
Christoph Bredemeyer ist Gründer der jungen Messe- und Eventagentur leuchtturmartig, mit der er vorrangig Eigenveranstaltungen in der Region Trier realisiert. Dabei legt er besonderen Wert auf regionale Themen, Co-Creation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
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